Überblick LSD-Diagnose

Die Diagnose von lysosomalen Speicherkrankheiten stellt Ärzt:innen vor eine komplexe Aufgabe, denn sie sind selten und vielgestaltig. Wenn ein Anfangsverdacht besteht, können viele Speicherkrankheiten mit einem genetischen Test identifiziert werden, für einige gibt es auch Schnelltests auf Trockenblutbasis.

LSDs (= lysosomal storage diseases; englisch für: lysosomale Speicherkrankheiten) zeichnen sich durch eine Vielzahl unspezifischer Symptome und eine große Variabilität des Krankheitsbildes aus, die eine klare Zuordnung erschweren. Aufgrund der progressiven Natur zeigt sich oft eine milde Ausprägung zu Beginn der Erkrankung, was sich zusätzlich erschwerend auf eine frühe Diagnose auswirkt. Denn eine schwache Symptomatik lässt sich schwerer deuten. Bei einigen LSDs verläuft die Erkrankung recht langsam und entwickelt sich über viele Jahre. Im Anfangsstadium sind häufig keine oder nur geringe Symptome zu spüren, oft verlagern sich die Manifestationen im Verlauf. Hinzu kommt die Schwierigkeit, dass es sich um seltene Erkrankungen handelt. Ärzt:innen fehlt daher oft die Erfahrung, denn nur ein sehr geringer Prozentsatz ihrer Patient:innen hat eine dieser Krankheiten. Umso wichtiger ist die Förderung weltweiter Aufklärung und Bewusstseinsbildung, um bei der Kombination unspezifischer Symptome an eine lysosomale Speicherkrankheit denken zu lassen.

Eine Diagnosestellung ist zwar bei voll ausgeprägtem Krankheitsbild einfacher, jedoch ist gerade bei Speicherkrankheiten eine frühe Diagnose und damit ein früher Therapiebeginn für die Gesamtprognose entscheidend. Je früher die Einlagerung schädlicher Moleküle durch eine ursächliche Therapie minimiert wird, desto weniger Organschäden entstehen, Grundlage für eine gute Lebensqualität und eine positive Lebenserwartung von LSD-Patient:innen.

Wie kann die Verdachtsdiagnose einer lysosomalen Speicherkrankheit bestätigt werden?

Bei einem Verdacht auf eine lysosomale Speicherkrankheit steht eine spezifische LSD-Diagnostik zur Verfügung. Meist ist ein Nachweis des Enzymdefekts und der Mutation in der Erbinformation notwendig. In der Regel verwendet man eine Kombination mehrerer Methoden:

Für einige LSDs (z. B. M. Gaucher, M. Fabry, M. Hunter) gibt es Trockenbluttests mit Trockenblutkarten zur Messung der Enzymaktivität. Genauer sind labordiagnostische Untersuchungen, zum Beispiel von Blut-, Urin- und ggf. auch Hautproben. Darüber hinaus können Messungen der Enzymaktivität in isolierten Leukozyten (weißen Blutkörperchen) oder in angezüchteten Hautzellen (Fibroblasten) sinnvoll sein. Allerdings korrelieren pathologische Werte nicht unbedingt mit der Symptomlast. Bei normalen Werten können trotzdem Symptome auftreten.

Messung der Enzymaktivität im Blut

Bei X-chromosomal vererbten LSDs (Morbus Fabry und Morbus Hunter) entsteht durch die zufällige Inaktivierung jeweils eines X-Chromosoms bei Frauen ein Mosaik aus Zellen und Geweben, die lysosomale Enzyme normal herstellen, und solchen, die dies nicht können. Insofern ist es möglich, dass im Blut keine Abweichung von den Normalwerten gemessen wird, aber zum Beispiel in Herz und Nieren eine niedrige Aktivität des Enzyms vorliegt. Bei diesen Erkrankungen ist eine genetische Bestätigung des Gendefekts notwendig, ggfs. sind hierzu Biopsien verschiedener Gewebe nötig.

Manchmal ist es sinnvoll, das Speichermaterial direkt nachzuweisen. Je nach Erkrankung kann die Speichersubstanz im Blut oder im Urin (zum Beispiel Mukopolysaccharide) nachgewiesen werden, oder es werden Proben aus geschädigten Organen entnommen und die Speichersubstanz darin nachgewiesen. Oft verwendet man den Nachweis der Menge des Speichermaterials auch, um den Erfolg einer Therapie zu beurteilen.

Es gibt verschiedene Methoden krankheitsauslösende Mutationen im Erbgut festzustellen. Dies geschieht zumeist, in dem das betreffende Gen sequenziert wird. Man erfährt also genau, an welcher Stelle das Enzym geschädigt ist, ob es zum Beispiel zu kurz ist, ihm wichtige Teile fehlen oder es bestimmte Aufgaben nicht erfüllen kann. Dies hilft beim Abschätzen der Prognose und bei der Entscheidung, ob eine Chaperontherapie eine sinnvolle Option ist.

Es gibt einige Pilotprojekte zum Screenen von Neugeborenen auf eine Reihe von verschiedenen Krankheiten, ohne dass Symptome vorliegen. Auch auf einige lysosomale Speicherkrankheiten kann getestet werden. Der Vorteil dieser Methode liegt darin, dass Patient:innen bereits vor dem Auftreten von Organschäden bzw. in einem sehr frühen Stadium der Erkrankung identifiziert werden können und durch eine rechtzeitige ursächliche Therapie die Krankheitsprogression erheblich verzögert werden kann.

Da lysosomale Speicherkrankheiten vererbbar sind und die Diagnose schwierig ist, ist anzunehmen, dass in der Familie jede:r  Indexpatienten:in weitere Personen mit der Erkrankung zu finden sind. Mit einer Stammbaumanalyse können diese identifiziert werden, um ihnen so eine Therapie zu ermöglichen.

Häufige Fehldiagnosen und Differentialdiagnosen 

Wegen der unspezifischen Symptome und zahlreichen Manifestationen in Kombination mit der Seltenheit lysosomaler Speicherkrankheiten erhalten viele Patient:innnen anfangs häufig eine oder sogar mehrere Fehldiagnosen. Dies verzögert den Therapiebeginn und verschlechtert die Prognose.

Je nach Manifestation werden folgende Fehldiagnosen häufig gestellt:

Manifestation Fehldiagnosen
Neurologisch Rheumatische Erkrankungen
Wachstumsschmerzen
Multiple Sklerose
Gastrointestinal Reizdarm
Hämatologisch Leukämie
Lymphom
Multiples Myelom
Rheumatoide Arthritis
Dermatologisch Nesselsucht

Genetisch- oder enzymaktivitätsbestätigte Diagnosen einer LSD schließen jedoch andere Ursachen für Symptome und Manifestationen nicht aus. Komorbiditäten oder Begleiterkrankungen können ebenfalls zu einem Nierenversagen oder Wachstumsstörungen beitragen. Vor allem, wenn eine Enzymersatztherapie, falls vorhanden, keine Besserung der Symptome und klinischen Werte erbringt, muss die Ursache differentialdiagnostisch erschlossen werden.