Diagnose Morbus Hunter: Diagnostik bei Verdacht, wichtige Differential- und häufige Fehldiagnosen

Morbus Hunter bleibt häufig unerkannt, da viele der Anzeichen und Symptome sich mit den üblichen Beschwerden in der Kindheit überschneiden. Das und die Seltenheit der Erkrankung bedeuten, dass bei vielen Kindern, vor allem solchen mit dem nicht-neuronopathischen Typ von M. Hunter, manchmal Jahre bis zur Diagnosestellung vergehen.

Ein Verdacht auf M. Hunter sollte aufkommen, wenn unspezifische Symptome wie vermehrte Ohrentzündungen oder vergrößerte Mandeln wiederholt sowie in Kombination mit abdominalen Hernien (Nabel- oder Leistenbrüche), einer vergrößerten Zunge oder einem großen Kopfumfang auftreten. Dann ist es wichtig, die Krankengeschichte der Patient:innen gründlich zu überprüfen, um herauszufinden, ob es bereits typische Anzeichen des Hunter-Syndroms gegeben hat, die nicht erkannt wurden.1

Wenn ein Arzt oder eine Ärztin einen Verdacht auf M. Hunter hat, kann eine körperliche Untersuchung auf aktuelle Gelenksteifigkeit, vergrößertes Abdomen (Rumpf zwischen Brustkorb und Becken) und andere nicht-neuronopathische Symptome der Krankheit wie z.B. Skelettveränderungen durchgeführt werden. Bei älteren Kindern können Herzprobleme ein wichtiges Anzeichen für die Erkrankung sein, weshalb eine Echokardiographie (visuelle Beobachtung durch Ultraschall) in Erwägung gezogen werden sollte. Auch eine Lungenfunktionsprüfung, orthopädische Verlaufskontrollen oder Hautproben können wichtige klinische Hinweise auf die Erkrankung ergeben. Unabhängig vom Alter sollte auch auf die charakteristischen Gesichtszüge wie den abgeflachten Nasenrücken oder Prognathie (vorstehender, dominanter Unterkiefer) von M. Hunter geachtet werden.1 Außerdem gibt es verschiedene Arten von analytischen Tests, die zur Diagnose durchgeführt werden können.2
Bei der pränatalen Diagnostik kann beispielsweise die Aktivität des Enzyms Iduronat-2-Sulfatase (I2S bzw. IDS) im Plazentagewebe oder im Fruchtwasser gemessen werden. Durch eine Fruchtwasseruntersuchung oder eine Chorionzotten-Biopsie (Mutterkuchenpunktion) mit anschließender Aufreinigung der DNS (Elektrophorese) kann auch das Erbgut der Nachkommen untersucht und so ein genetischer Defekt nachgewiesen werden. Molekulargenetische Analysen dienen nicht nur dazu Erkrankte, sondern ebenso genetische Überträger:innen zu identifizieren.2

Neben genetischen Untersuchungen kann auch die Aktivität des IDS-Enzyms postnatal (nach der Geburt) bestimmt werden. Hierzu wird eine Blutprobe entnommen und ermittelt, wie aktiv das Enzym in den Leukozyten (weiße Blutzellen) ist. Die IDS-Aktivität kann auch durch die Entnahme von Fibroblasten (Zellen des Bindegewebes) untersucht werden. Die Glykosaminoglykane (GAGs), die sich bei M. Hunter in den Zellen ansammeln, können ebenso als Hinweis für eine bestehende Krankheit dienen. Sie gelangen von den Zellen in den Körper und werden schließlich über den Urin ausgeschieden. Daher können hohe GAG-Mengen im Urin auf eine MPS-Erkrankung hinweisen. Da dieser GAG-Test schnell und einfach abläuft, wird er meist direkt zu Beginn der Diagnosestellung durchgeführt.2

Als Hilfestellung für den Ablauf der Diagnosestellung von M. Hunter kann ein Entscheidungsbaum herangezogen werden (Abb. 3).

Neben genetischen Untersuchungen kann auch die Aktivität des IDS-Enzyms postnatal (nach der Geburt) bestimmt werden. Hierzu wird eine Blutprobe entnommen und ermittelt, wie aktiv das Enzym in den Leukozyten (weiße Blutzellen) ist. Die IDS-Aktivität kann auch durch die Entnahme von Fibroblasten (Zellen des Bindegewebes) untersucht werden. Die Glykosaminoglykane (GAGs), die sich bei M. Hunter in den Zellen ansammeln, können ebenso als Hinweis für eine bestehende Krankheit dienen. Sie gelangen von den Zellen in den Körper und werden schließlich über den Urin ausgeschieden. Daher können hohe GAG-Mengen im Urin auf eine MPS-Erkrankung hinweisen. Da dieser GAG-Test schnell und einfach abläuft, wird er meist direkt zu Beginn der Diagnosestellung durchgeführt.2

Als Hilfestellung für den Ablauf der Diagnosestellung von M. Hunter kann ein Entscheidungsbaum herangezogen werden (Abb. 3).

Paare mit Kinderwunsch, die beispielsweise wissen, dass die Mutter Trägerin eines X-Chromosoms mit dem defekten Gen ist, können sich an eine genetische Beratung wenden. Außerdem gibt es verschiedene pränatale (vorgeburtliche) Diagnoseverfahren wie eine Fruchtwasser-Untersuchung oder Chorionzotten-Biopsie (Mutterkuchenpunktion), die dabei helfen können, das Erbgut der Nachkommen zu bestimmen.

Hunter
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Wichtige Differentialdiagnosen: Wann sollten Fachärzt:innen an M. Hunter denken?

Bei der Untersuchung der Enzymaktivität besteht die Gefahr, andere Erkrankungen wie z. B. einen multiplen Sulfatasemangel falsch zu diagnostizieren. Bei einem multiplen Sulfatasemangel handelt es sich um eine lysosomale Speichererkrankung, bei der alle Sulfatase-Enzyme betroffen sind – und nicht nur eins der Enzyme, wie bei Morbus Hunter.3 Um eine Verwechslung zu vermeiden, kann ein zweites Sulfatase-Enzym untersucht werden.
Auch bei der Analyse des GAG-Niveaus bedarf es einer Differentialdiagnose, da auch andere MPS-Erkrankungen eine erhöhte GAG-Konzentration im Urin verursachen können. Das Sanfilippo-Syndrom (MPS III) erhöht beispielsweise das Heparansulfatniveau (ein Bestandteil von GAGs) und das Maroteaux-Lamy-Syndrom (MPS VI) führt zu einer erhöhten Dermatansulfat-Konzentration. Daher kann es neben dem Urin-Test sinnvoll sein, molekulargenetische Laboruntersuchungen durchzuführen, um den Krankheitsausschluss erfolgreich abzuschließen.4,5

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Häufige Fehldiagnosen bei Morbus Hunter

Es kann sehr schwierig sein, Morbus Hunter zu diagnostizieren, da sich viele der frühen Symptome mit üblichen Beschwerden im Kindesalter überschneiden. Das kann zu wiederholten Fehldiagnosen führen und den Beginn einer entsprechenden Behandlung der Erkrankung verzögern.1
Besonders die nicht-neuronopathische Ausprägungsform kann aufgrund der relativ unspezifischen und spät eintretenden Symptome mit anderen Erkrankungen verwechselt werden. Häufig wird M. Hunter für die Erkrankung Morbus Perthes oder eine Skelettdysplasie (Störung des Knochen- und Knorpelgewebes) gehalten, wenn nur skelettale Schäden als Krankheitsbild auftreten.5 Das Hunter-Syndrom kann auch leicht mit Morbus Scheie (MPS I) verwechselt werden. Bei MPS I werden GAGs auch nicht mehr ausreichend abgebaut, was hier aber durch einen Defekt im Enzym Alpha-L-Iduronidase verursacht wird.6,7

Quellen

1. Scarpa M et al. Orphanet Journal of Rare Diseases 2011; 6: 72.
2. Martin R et al. Pediatrics 2008;121(2): e377-e386.
3. Mancini Grazia M S et al. Neuropediatrics 2001;32(01): 38-40.
4. Burton B K and Giugliani R. European Journal of Pediatrics 2012;171(4): 631–639.
5. Guffon N et al. Orphanet Journal of Rare Diseases 2015;10(43): 1-13.
6. Chakraborty P P et al. BMJ Case Reports 2016. doi:10.1136/bcr-2016-215416.
7. Clarke L A. GeneReviews 2021.