Morbus Hunter: Therapien und begleitende Behandlungen

Morbus Hunter betrifft oft verschiedene Teile des Körpers und ist leider nicht heilbar. Deshalb ist es notwendig, dass mehrere medizinische Fachkräfte aus verschiedenen Bereichen in die Pflege der Patient:innen involviert sind, um das breite Spektrum der Symptome bestmöglich zu behandeln und Komorbiditäten (Begleiterkrankungen) vorzubeugen. Das nennt man auch Management durch ein multidisziplinäres Team.

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Ursächliche Therapie bei Morbus Hunter

Patient:innen mit Morbus Hunter können seit einigen Jahren mit einer Enzymersatztherapie (EET) behandelt werden. Bei dieser Therapieform wird das fehlende Enzym Iduronat-2-Sulfatase (I2S bzw. IDS) ersetzt. Ziel der EET ist es, den erblich bedingten Enzymdefekt auszugleichen und die Symptome zu lindern oder zumindest zu stabilisieren.1–3

Momentan wird außerdem intensiv an weiteren Therapiemöglichkeiten geforscht. Die Transplantation blutbildender Stammzellen ist bereits vereinzelt in Anwendung und wird momentan für besonders schwere Fälle des Hunter-Syndroms empfohlen.4 Außerdem wird mittels Gentherapie versucht, ein funktionsfähiges IDS-Gen in Leberzellen einzuführen und so von den Leberzellen das IDS-Enzym herstellen zu lassen. Bei entsprechenden Tierversuchen ergaben sich bereits positive Daten, allerdings haben bisherige Studien mit Patient:innen noch keine erfolgreichen Ergebnisse erbracht.2,5

Neben der EET werden zusätzlich Begleittherapien wie etwa physiotherapeutische Behandlungen oder bestimmte medikamentöse Therapien empfohlen. Der Beitritt zu Selbsthilfegruppen kann für die mentale Unterstützung und Beratung sinnvoll sein.

Begleitende Behandlungen bei Morbus Hunter

Um die vielfältigen Symptome von Morbus Hunter zu behandeln, sollten Begleittherapien bei verschiedenen Spezialist:innen durchgeführt werden. Die jeweilige Kombination der Therapieformen ist individuell vom jeweiligen Krankheitsbild abhängig.

Spezialist:innen:

Es ist sinnvoll, sich bei einer MPS-Erkrankung wie Morbus Hunter an ein spezialisiertes Stoffwechselzentrum zu wenden. Die Ärzt:innen in den spezialisierten Zentren haben durch ihre langjährige Tätigkeit wertvolle Erfahrungen im Bereich der Diagnostik und Therapie von seltenen Erkrankungen wie Morbus Hunter.

HNO-Spezialist:innen sind Expert:innen für Erkrankungen der Ohren, Nase und des Rachens. Routine-Untersuchungen bei HNO-Ärzt:innen können Hörtests (wird alle 6 bis 12 Monate empfohlen) und Atemtests (einmal jährlich) umfassen. Bei Atemtests wird die Ausatemluft analysiert, um krankhafte Veränderungen im Körper der Patient:innen zu bestimmen.

Kardiolog:innen sind Spezialist:innen für Erkrankungen, die das Herz und den Blutkreislauf betreffen und können z. B. eine Herzklappeninsuffizienz diagnostizieren. Untersuchungen, um den Zustand des Herzens zu bestimmen, umfassen eine Echokardiografie oder eine Elektrokardiografie (EKG; beobachtet die elektrische Aktivität des Herzens). Die Häufigkeit der Herzuntersuchungen hängt von den individuellen Bedürfnissen ab, wird aber alle 1 bis 3 Jahre empfohlen.

Neurolog:innen spezialisieren sich auf Nerven und auf das Gehirn. Es wird empfohlen, alle 1 bis 3 Jahre Aufnahmen des Kopfes und Nackens mittels Kernspinresonanztomographie durchzuführen, um das Gehirn und das Rückenmark zu untersuchen. Die kognitiven (geistigen) Fähigkeiten und das Verhalten sollten besonders beim neuronopathischen Typ in jährlichen Intervallen überprüft werden.

Pneumolog:innen sind Spezialist:innen der Lunge und der Atemwege. Sie helfen bei Atemproblemen und Atemwegsobstruktion (Verengung der Atemwege), die bei Morbus Hunter vorkommen können. Es wird empfohlen, die Lungenfunktion jährlich zu überprüfen und eine visuelle Untersuchung der Atemwege mittels Bronchoskopie (Lungenspiegelung) so oft wie nötig und vor jeder Operation durchzuführen. Alle 3 bis 5 Jahre, oder wenn ein Verdacht auf Schlafapnoe besteht, sollte eine Schlafstudie durchgeführt werden.

Orthopäd:innen sind Expert:innen für Erkrankungen der Knochen und Gelenke. Es wird empfohlen, die Mobilität der Gelenke jährlich zu überprüfen. Zudem können Röntgenuntersuchungen durchgeführt werden, wenn ein Verdacht auf Probleme mit der Wirbelsäule oder der Hüfte besteht. Einige Patient:innen benötigen möglicherweise eine Operation, um diese Probleme zu beheben. Physiotherapeut:innen können helfen, die Mobilität, die Gelenkbeweglichkeit und den Zustand des Brustkorbes zu verbessern. Hier erhält man außerdem eine professionelle Beratung zu Übungen für die Heimtherapie.

Patient:innen mit Hunter-Syndrom wird empfohlen, eine standardmäßige Zahnuntersuchung (alle 6 Monate) durchzuführen und die empfindlichen Zähne besonders intensiv zu pflegen. Außerdem sollte ein jährlicher Sehtest erfolgen. Andere Spezialist:innen könnten Logopäd:innen, Gastroenterolog:innen (um bei Verdauungsproblemen zu helfen) und Ernährungsberater:innen sein.

1. Wraith J E et al. European Journal of Pediatrics 2008;167(3): 267-277.
2. Gajula P et al. Journal of Natural Science, Biology, and Medicine 2012;3(1): 97.
3. Muenzer J et al. Genetics in Medicine 2006;8(8): 465-473.
4. Tansek M Z et al. Molecular Genetics and Metabolism Reports 2021;28: 100779.
5. Elsner M. Studie zum deutschen Innovationssystem, Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), Berlin, 2021; Nr. 11-2021.