Diagnostik bei Gaucher-Verdacht, wichtige Differential- und häufige Fehldiagnosen

Da Morbus Gaucher eine seltene Erkrankung mit einer ausgeprägten Symptomheterogenität, also sehr variablen Symptomatik ist, bestehen einige Herausforderungen für die Diagnosestellung. Erschwerend kommt hinzu, dass einige Patient:innen bereits als Kinder erkranken, während andere nur leichte Krankheitszeichen ausbilden, die erst sehr spät erkannt werden. Bei der häufigsten Ausprägungsform (Typ 1) liegt das mediane Alter in dem eine Diagnose gestellt wird je nach Studie bei 10–20 Jahren1 oder bei 28 Jahren.2 Die Dunkelziffer nicht identifizierter M.-Gaucher-Erkrankungen wird als recht hoch eingestuft.1,3

Eine weitere Herausforderung für die Diagnosestellung ist, dass sich die typischen Symptome häufig mit denen anderer Erkrankungen überschneiden, wodurch es zu Fehldiagnosen kommen kann. Häufige Fehldiagnosen umfassen u. a. Lebererkrankungen, Leukämien (Blutkrebsarten), Infektionen oder Autoimmunerkrankungen. Das Leitsymptom von M. Gaucher ist die Splenomegalie (Milzvergrößerung), welche beispielsweise häufig im Zuge der hämatologischen (Blut betreffenden) Diagnostik Leukämien zugeordnet wird. Beschwerden im Oberbauch können z.B. mit Problemen aus dem gastroenterologischen (den Magen-Darm-Trakt betreffenden) Bereich verwechselt werden. Der Verdacht auf M. Gaucher entwickelt sich häufig erst, nachdem andere Erkrankungen ausgeschlossen werden konnten.1,3

Untersuchungen bei Verdacht auf M. Gaucher

Sobald der Verdacht auf M. Gaucher besteht können Ärzt:innen zur Diagnosesicherung verschiedene Tests durchführen:1

Darüber hinaus können folgende Laborparameter typische Anzeichen für M. Gaucher sein:1

Biomarker

Bei Biomarkern handelt es sich um Moleküle (z.B. Proteine oder Hormone) und Zellen, deren Konzentration in Körperflüssigkeiten Hinweise auf das Vorliegen einer Krankheit geben. Typische Biomarker für die Diagnose von M. Gaucher sind Lyso-Gb1, CLL-18 und die Enzymaktivität der Chitotriosidase und Ferritin:1,4,5

Wie sieht ein Blutbild bei Morbus Gaucher aus?

Eine Untersuchung des Blutbildes kann die Gewissheit bringen, ob die Erkrankung Morbus Gaucher bei Patient:innen vorliegt oder nicht. Mit einem Enzymtest kann beispielsweise ermittelt werden, ob ein Mangel an Beta-Glukozerebrosidase vorliegt. Dabei wird z. B. die Enzymaktivität in den Leukozyten (weißen Blutkörperchen) bestimmt. Eine verminderte Aktivität der Beta-Glukozerebrosidase ist dabei ein starker Hinweis für M. Gaucher. Zur Bestimmung der Enzymaktivität können auch Trockenbluttests erfolgen. Zu den möglichen Bluttests gehören außerdem der Nachweis einer Thrombozytopenie (Mangel an Blutplättchen) und die Erhebung der Hämoglobinwerte als Nachweis einer möglichen Anämie (Mangel an roten Blutkörperchen).1

Wie wird der Bluttest bei Morbus Gaucher durchgeführt?

Zur Messung der Enzymaktivität von Beta-Glukozerebrosidase kann ein einfacher Trockenbluttest genutzt werden. Hierzu werden lediglich 10 Tropfen des zu untersuchenden Blutes durch das medizinische Fachpersonal auf eine Trockenblutkarte gegeben und anschließend an der Luft getrocknet. Per Post wird die Trockenblutkarte dann an ein Labor geschickt, wo die Bestimmung der Enzymaktivität erfolgt. Zur Analyse von Thrombozyten-Aktivität oder Hämoglobinmangel können die behandelnden Ärzt:innen ein großes Blutbild erstellen lassen.

In folgendem Video haben wir das genaue Vorgehen für einen 
Trockenbluttest noch einmal für Sie zusammengefasst:

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Wichtige Differentialdiagnosen: Wann sollten Ärzt:innen an M. Gaucher denken?

Bei Morbus Gaucher ist durch die verschiedenen Ausprägungsformen und die unterschiedlichen Symptome die Gefahr von Fehldiagnosen erhöht. Dabei wird beispielsweise eine Splenomegalie (Milzvergrößerung) häufig fälschlicherweise einer Leukämie-Erkrankung (Blutkrebs) zugeordnet. Knochenmanifestationen von M. Gaucher werden oft für Auswirkungen rheumatischer Erkrankungen gehalten. Daher ist es besonders wichtig, bei den typischen Leitsymptomen von M. Gaucher, wie Splenomegalie (Milzvergrößerung), Hepatomegalie (Lebervergrößerung), Thrombozytopenie (Mangel an Blutplättchen), Anämien (Mangel an weißen oder roten Blutkörperchen) oder Knochenschmerzen, diverse Differentialdiagnosen durchzuführen um sicherzustellen, welche Erkrankung tatsächlich vorliegt.

Da die Splenomegalie (Milzvergrößerung) als Leitsymptom bei > 90% der M.-Gaucher-Patient:innen auftritt und gleichzeitig ein Symptom für viele weitere Erkrankungen sein kann, ist eine Differentialdiagnose mit Fokus auf die Milz besonders wichtig. Folgende Erkrankungen können ebenso eine Splenomegalie (Milzvergrößerung) auslösen und sollten deshalb in Betracht gezogen werden:6 

  • Hämatologie/ Onkologie: z.B. Lymphome (bösartige Tumore des lymphatischen Systems), Leukämien (Blutkrebs), myeloproliferative Neoplasien (Tumore), Hämolyse (Auflösung roter Blutkörperchen), Amyloidose (Erkrankungen mit Ablagerungen von Proteinen)
  • Infektionen: z.B. HIV, EBV (Pfeiffersches Drüsenfieber), Malaria, Endokarditis (Entzündung der Herzinnenhaut), Tbc (Tuberkulose)
  • Kardiologie: z.B. portale Hypertension (Erhöhung des Drucks in der Pfortader), Herzinsuffizienz
  • Autoimmunerkrankungen und andere Gebiete: z.B. Speichererkrankungen (Krankheiten mit Ablagerungen verschiedener Substanzen in Zellen/Organen)

Bei einer vorliegenden Hepatomegalie (Lebervergrößerung) sollten Lebererkrankungen wie Leberzirrhose oder Virushepatitis ausgeschlossen werden.

Eine Thrombozytopenie (Mangel an Blutplättchen) kann auch durch Leukämien oder andere hämatologische Erkrankungen wie Lymphome verursacht werden. Außerdem sollte eine Immunthrombozytopenie (Blutungsstörung als Folge einer Autoimmunreaktion) in Betracht gezogen werden.

1. Stirnemann J et al. International Journal of Molecular Sciences 2017;18(2): 441.
2. Arbeitsgemeinschaft für angeborene Stoffwechselstörung in der Inneren Medizin. Morbus Gaucher. Online unter: https://www.asim-med.de/patienteninformation/morbus-gaucher-6 (zuletzt aufgerufen: 22.06.2023).
3. Mistry P K et al. Blood Cells, Molecules, and Diseases 2011;46(1): 66–72.
4. Elstein D et al. Molecular Genetics and Metabolism 2017;122(1-2): 113–120.
5. Revel-Vilk S, Fuller M and Zimran A. International Journal of Molecular Sciences 2020;21(19): 7159.
6. Pozo A L et al. Blood Reviews 2009;23(3): 105–11.